Ansprache des Präsidenten der Republik Finnland Sauli Niinistö anlässlich des Abendessens gegeben vom Bundespräsidenten der Bundesrepublik Deutschland Dr. h. c. mult. Joachim Gauck am 8. November 2012 im Schloss Bellevue

Herr Bundespräsident,

Exzellenzen,

meine sehr verehrten Damen und Herren,

herzlichen Dank dafür, dass ich so kurz nach meinem Amtsantritt zu diesem offiziellen Besuch nach Deutschland eingeladen wurde. Dies und die herzliche Aufnahme, mit der ich hier in Berlin empfangen wurde, sagen viel über die intensiven und freundschaftlichen Beziehungen zwischen unseren Ländern aus. Ihnen, Herr Bundespräsident, möchte ich auch für die fruchtbaren und anregenden Gespräche, die wir heute miteinander geführt haben, bestens danken. Es ist mir eine große Freude und Ehre zugleich, Sie persönlich kennenzulernen.

In den verschiedenen Phasen unserer Geschichte waren Finnland und Deutschland eng miteinander verbunden. In unserer Mentalität sind wir uns ähnlich, gemeinsam haben wir die Offenheit und Transparenz unserer Gesellschaft, die Gleichstellung und das Wohlfahrtsprinzip. Ebenso scheuen wir uns nicht vor Arbeit und wir sind bereit, Verantwortung zu übernehmen. Von diesen Eigenschaften haben wir in wirtschaftlich schwierigen Zeiten profitiert.

Die Mitgliedschaft in der Europäischen Union hat unsere Beziehungen noch weiter intensiviert. Bereits bei den Beitrittsverhandlungen haben wir wertvolle Unterstützung von Seiten Deutschlands erfahren.  Heute sind wir enge Partner in der EU und unsere Standpunkte zur Entwicklung der Integration sowie zu aktuellen EU-Angelegenheiten sind sich sehr ähnlich. Insbesondere zur Eindämmung der Wirtschaftskrise haben wir viel zusammengearbeitet. An dieser Stelle möchte ich auch der Bundesregierung und ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sehr herzlich hierfür danken und ich hoffe auf eine Fortsetzung dieser ausgezeichneten Zusammenarbeit. Wir sind beide über die Wettbewerbsfähigkeit Europas besorgt und fragen uns, wie wir das Wachstum fördern können. Auch ein optimales Funktionieren des Binnenmarkts ist ein wichtiges gemeinsames Ziel.

Deutschland gehört traditionell zu unseren wichtigsten Handelspartnern und rangiert derzeit sowohl bei den Einfuhren als auch bei den Ausfuhren an zweiter Stelle. Die Struktur des Handels hat sich mit der Zeit gewandelt. Hier in Deutschland ist Finnland heute für Hightech, Innovationen sowie für Design bekannt. Ich werde begleitet von einer Delegation hochkarätiger Unternehmensvertreter, die für finnische Spitzentechnologie in verschiedenen Bereichen stehen und ich hoffe, dass es während unserer Reise zu nützlichen Kontakten und neuen Kooperationsmöglichkeiten kommen wird. Der Energiesektor ist derzeit in unseren beiden Ländern besonders interessant. Sowohl Finnland als auch Deutschland wollen die Nutzung der erneuerbaren Energien verstärken und eine energieeffiziente und saubere Technologie entwickeln. Auch hier können wir von einer intensiveren Zusammenarbeit profitieren.

Berlin ist untrennbar mit Kultur verbunden. Bereits vor der Unabhängigkeit unseres Landes im Jahre 1917 fanden finnische Künstlerinnen und Künstler ihren Weg nach Berlin. Heute ist Berlin die bedeutendste Kulturstadt der Welt. Die deutsche Hauptstadt ist ein zweites Zuhause für unsere neue Künstlergeneration geworden. Wir sind stolz darauf, dass wir hochklassige finnische Kultur hier präsentieren können. Helsinki ist in diesem Jahr Welt-Designhauptstadt und unser Design ist auch hier in Deutschland sehr präsent. Wir bereiten uns gerade auf die Frankfurter Buchmesse vor, auf der Finnland 2014 Gastland sein wird.

In den internationalen Beziehungen betonen unsere beiden Länder die Bedeutung des multilateralen Systems sowie den ganzheitlichen Ansatz bei der Bewältigung von Krisen. Wir pflegen auch enge Beziehungen zu unseren Nachbarländern und -regionen. Russland ist ein wichtiger Handelspartner für unsere beiden Länder.

Der Ostseeraum, der Ihnen, Herr Bundespräsident, bekanntlich auch persönlich nahe steht, ist für uns sehr wichtig. Seit der Zeit der Hanse hat sich diese Region zu einem offenen und modernen Raum entwickelt, in dem die Wirtschaft wächst und Knowhow und Innovationen eine zentrale Rolle spielen. Der Schutz unserer gemeinsamen Meeresumwelt ist für uns eine Herzensangelegenheit. Dafür kooperieren wir im Ostseerat und mit Hilfe des auf finnische Initiative hin geschaffenen Baltic Sea Action Summit. Es ist wichtig, dass auch Russland aktiv an dieser Arbeit teilnimmt.

Obwohl unsere Wirtschaft sich auch im Schatten der Wirtschaftskrise befriedigend entwickelt hat, stehen unsere beiden Gesellschaften vor großen Herausforderungen. Die Veralterung der Bevölkerung vollzieht sich mit besorgniserregender Geschwindigkeit. In Finnland sind wir auch über die Arbeitslosigkeit und die soziale Ausgrenzung von Jugendlichen besorgt. Wir könnten von dem dualen System der Berufsausbildung in Deutschland, das maßgeblich zu einer guten Beschäftigungssituation für Jugendliche beiträgt, viel lernen.

Es gibt traditionell sehr intensive Kontakte zwischen den Bürgerinnen und Bürgern unserer Länder. Deutsche Touristen sind gern gesehene Gäste in unserem Land. In Deutschland wohnen schätzungsweise 13.000 Finninnen und Finnen – sehr viele von ihnen haben ihre Ehepartner oder Ehepartnerinnen hier gefunden. Unsere gemeinsame Aufgabe ist es, die Kontakte zwischen unseren Landsleuten, insbesondere zwischen den Jugendlichen, weiterhin zu fördern.

Herr Bundespräsident, ich möchte nun abschließend das Glas erheben: Auf die Freundschaft unserer Länder, auf Ihr Wohl, verehrter Herr Bundespräsident, und auf eine erfolgreiche Zukunft für Sie persönlich und für Ihr Land.